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Eine Reise in die Vergangenheit


 

 

 

 

 

 

 


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Reise in die Vergangenheit

Man versetze sich in die Zeit von 1942. Es herrscht Krieg in Europa. Deutsche Soldaten stehen auch an der Westküste am Atlantik im Herbst 1942. Das OKW erteilt den Befehl, in 78 Zügen ca. 300000 Mann an die Ostfront zu verlegen, u.a. die 306. InfDiv. Mit diesen Soldaten sollte die VI. Armee im Kessel von Stalingrad befreit werden, aber es kam alles ganz anders. Auch die 306. InfDiv, GrenRgt 580 mit dem Zeichen der” Wildsau”, in der mein Vater seinen Dienst als Gefr und 1. MG-Schütze leistete, wurde in den Osten verlegt. Das war die 2.1/1. Bt1580. Er hatte die Feldpost-Nr. 10286 C, seine Erkennungsmarke war Nr.: -871-4.1 InfErsBt/184. Die Einheit wurde verladen am Donnerstag, 26. 11. 1942 in “de Haan” (Belgien Westküste). Am Samstag, dem 5. 12. 1942, waren sie auf halber Strecke in Kolnow (Polen) und wurden am Sonntag, dem 20. 12: 1942, in Morosowskaja nachts ausgeladen. Das war ca. 250 km westlich von Stalingrad. Um 24 Uhr standen die Einheiten abmarschbereit auf einer spiegelglatten Rollbahn. Man musste sich beeilen, vom Bahnhof wegzukommen, da der Russe die Nachschublinien bombardierte. Sie marschierten noch ca. 5 km in nördlicher Richtung der kämpfenden Südfront entgegen.

Hier im nächsten Dorf (Grusinof) wollte man übernachten. Aber gegen fünf Uhr, es war also schon Montag, der 21.12.1942, erreichte die Truppe der Befehl, dass die Kompanien verladen und um 8 Uhr mit Frontbussen vorgebracht würden, und zwar bis auf 3 km Fußmarsch zur HKL.

Soweit meine genauen Recherchen zur Vermisstensuche nach meinem Vater nach 57 Jahren.

Die Anreise
Die umfangreiche Planung meiner Russlandreise beginnt im Frühherbst 1998, um die Gegend zu besuchen, in der mein Vater starb. Telefonisch lernte ich hierbei Alexey Schmakow in Wolgograd und seinen deutschen Freund,  Jens Czeczor aus Erlangen, kennen. Es gibt noch über 100.000 Menschen, die interessiert sind, über ihre Väter, Großväter, Brüder und Schwestern etwas zu erfahren, da sie im Osten von Eu­ropa gefallen oder vermisst sind.

Am 10. Mai 1999 fliege ich mit einer Be­suchergruppe nach Moskau. Dann geht’s weiter nach Wolgograd. Hier wohne ich im Hotel “Wolgograd”. Von hier aus beginnt meine Reise um 5 Uhr am 15. 5. 99 in die Kalmückensteppe. Alexsey kommt mit einem Allrad Lada-Niva, Jens hat die gesamte Ausrüstung dabei, die wir für unsere Mission brauchen. An Bord haben wir Verpflegung für mehrere Tage, Wasser und Benzin.

Aus Wolgograd fahren wir in westlicher Richtung auf der Straße, die direkt nach Rostow am Asowschen Meer führt. Es ist trocken und wir haben ca. 18 Grad. Kaum aus der Stadt, da beginnt die unendliche Steppe. Zunächst fahren wir bis Kalatsch am Don, hier wurde der Kessel von Stalingrad geschlossen. Ich denke zurück… mein Vater, am großen Donbogen, der seit 22. 12. 1942 vermisst wurde. Von Ende Nov. 42 bis Ende Januar 43, nach genau 71 Tagen, kapitulierte die VI. Armee. Von 250.000 deutschen Soldaten sind 25.000 gefallen oder erfroren. 225.000 gingen in Gefangenschaft, davon waren 6.000 Heimkehrer. Die genauen Zahlen wird man nie feststellen können.

Ein Rufen durch Jens “Kamera verstecken” reißt mich aus meinen Gedanken. Wir dürfen die Donbrücke bei Kalatsch passieren, die durch Polizeiposten und Militär bewacht wird. Von der anderen Seite des Don können wir auf die tiefer gelegene Ebene (Steppe) und auf Kalatsch sehen. Hier sehen wir auch die ersten Turkmenen mit ihren Marktständen. Getrockneter Fisch, Tee aus qualmenden Samowaren und Bier wird hier angeboten. Weiter geht unsere Fahrt durch die end- und baum­lose Steppe. Wir überqueren die Liska, den Tschir und sind am frühen Vormittag in Morosowskaja. Nach kurzem Fragen finden wir den alten Bahnhof aus der Zeit des 2. Weltkriegs. Es gibt heute noch in Russland Verordnungen, die aus der Stalinzeit stammen. So durfte ich nicht den Bahnhof filmen, man drohte mir, die Kamera zu beschlagnahmen. Dieser alte Bahnhof ist immer noch ein wichtiger strategischer Punkt, sagten mir drei Polizisten” Ich zeichnete mir alles im Gedächtnis auf, machte Skizzen und Lagepläne, damit ich am 6. Juni 99 beim Treffen der alten Kameraden der 306. I.D. in Hunswinkel über alles berichten kann. Heute noch sehen diese Ortschaften aus, wie nach dem Krieg bei uns. Die Zeit ist hier stehen geblieben. Die Straßen sind unbefestigt und die Gebäude haben seit dem Krieg keine Farbe mehr gesehen. Man bietet an den Straßenrändern Waren und Gegenstände an, um die kärgliche Rente (30,- DM/ Monat) ein bisschen aufzubessern. Die Bevölkerung auf dem Lande ist sehr arm, etwas misstrauisch Fremden gegenüber, aber dennoch überaus gastfreundlich.

Das Jahr 1942 holt mich wieder ein, es ist der 20. Dez. und ich stelle mir vor, wie etwas verwahrloste, nach drei Wochen Fahrt in Viehwaggons heruntergekommene Soldaten aus Belgien hier aussteigen.

Der Bahnhof wird durch den Russen bombardiert. Die Soldaten haben keine Zeit, ihre pz-Abwehrwaffen abzuladen, man muss schleunigst wegkommen, damit das Schicksal einen nicht hier schon einholt. Wir befahren die Straße, die die Landser in der Nacht zum 21. Dez. 1942 marschiert sind, 5 km bis zum Dorf Grusinof.

Auch der Feldwebel Walter Greulich aus Münster verabschiedet sich hier von seiner Kompanie in den Frontbussen und schreibt im Febr. 1943 einen Brief an seine Frau, dass er in drei Tagesmärschen mit dem Tross die 90 km bis zur Front in Nischnij-Astachov schaffen muss. Bei der Verabschiedung hatte er das Gefühl, dass er seine Kameraden nie wieder sehen würde. Meine Nachforschungen verlieren sich hier.

Durch das ständige Rütteln in unserem Lada holt mich die Gegenwart wieder ein. Wir befahren unbefestigte Straßen, die mit riesigen Löchern übersät sind, sie stehen voll Wasser, da es leise nieselt. Vorsichtig müssen wir ständig diesen Hindernissen ausweichen, da sie bis zu 30 cm tief sind. Die größte Sorge bestand darin, dass unser Wagen durchhält.

Für mich war die Spurensuche immer sehr wichtig, und so habe ich mir die Lebensaufgabe gestellt, 1000 deutsche Soldaten zu finden, die in der Zeit vom 21. bis 22. 12. 1942 spurlos verschwunden sind. Wir erreichen Miljutinskaja über Unjupin. General Hollidt stand mit seiner Panzer-Armee im Dez. 1942 hier.

Wir fahren weiter, die Steppe nimmt kein Ende, kein Haus, kein Telegrafenmast ist zu sehen. Auf einsamen Feldwegen, ohne Ortsangabe, tasten wir uns weiter nach Norden. Der Himmel ist grau, nur unsere Kompassnadel zeigt den richtigen Weg. Wir passieren den Fluss Berjosowaja.  Alexey hat erkannt, dass die Brücke ein riesiges Loch aufweist, wir fahren in eine Balka und durchfahren den Fluss an einer seichten Stelle. Die kleine Ortschaft Mankowo-Berjosowskaja lassen wir links liegen. Füchse, Adler und Wölfe begleiten uns nur kurz, um dann wieder in einer Balka zu verschwinden. Jetzt hören die fast unpassierbaren Feldwege auf und wir fahren weiter durch die Steppe, die zu dieser Zeit im Mai und etwas feuchtem Wetter in voller Blüte steht. Wir halten kurz an und gehen etwas abseits unserer Fahrtroute auf blühende Obstbäume zu, die in einer Balka stehen.

“Alle Siedlungspunkte sind bis auf 40 - 60 km ab der Hauptkampflinie in der Tiefe zu zerstören und die Be­wohner sind niederzumetzeln. Die eigenen Jagdkommandos waren mit gegnerischen Uniformen auszustat­ten, damit der Hass auf die faschis­tischen Besatzer in der Bevölkerung geschürt wurde und Partisanen leich­ter anzuwerben waren. Anschließend wurden diese falschen deutschen Soldaten zur Ordens verleihung vor­geschlagen. ”

Es muss ein Dorf gewesen sein, das Stalin mit seinem Befehl Nr. 0428 vom 17. 11. 1941 vernichten ließ (”Fackelmänner-Befehl”): Dies muss ein solcher Ort gewesen sein, der auf keiner Karte verzeichnet ist. Nach fast 60 Jahren hat sich die Steppe alles zurückgeholt. Selbst die Fundamente der Häuser waren nicht mehr zu erkennen. Nur ein Dorfbrunnen war gut erhalten geblieben..

Es kommt ein Lkw auf uns zugefahren und versperrt uns den Weg. Es steigen zwei junge Männer aus und fragen Alexey  irgend etwas, wir halten uns zurück mit unseren Karten, und die Männer verschwinden so schnell, wie sie kamen. Später sagte Alexey, sie wussten auch nicht, wo sie waren, und haben sich nach dem Weg erkundigt.

Nun sitzt Alexey ohne Rast schon zwölf Stunden am Steuer, der Himmel wird dunkler, es regnet. Schlamm und Morast sitzt an unseren Reifen, als wir plötzlich mitten in der Steppe eine gut gekleidete Russin sahen. Zuerst lief sie weg und ich erkannte, dass sie sehr verängstigt war. Wir blieben mit unserem Wagen stehen und Alexey sprach die

Worten “wo liegt Nischnij-Astachov”. Langsam verlor sie ihre Angst, kam auf uns zu und sagte, dass sie in diesem Dorf wohnen würde. Alexey bat die Frau, bei uns einzusteigen, um uns den Weg zu zeigen. Etwas verhalten stieg sie ein, und so kamen wir endlich nach zwölfstündiger Fahrt in dieses von uns so ersehnte Dorf. Man nannte uns gleich bereitwillig vier Zeitzeugen, und zwar von jungen Leuten, die damals 1942 zwischen 13 und 17 Jahre und heute zwischen 70 und 80 Jahre alt sind. Veteranen, die im letzten Krieg dabei waren, sind meistens “kaputt im Kopf”, so die Aussagen der Russen heute.

Das Ziel
Der Erfolg beim Auffinden deutscher Soldaten in Massengräbern sollte sich noch an diesem Abend einstellen. Vier Zeitzeugen sagten das Gleiche aus. Wir fuhren zu den betreffenden Stellen und fanden südlich vom Dorf, auf einer Anhöhe, einen ehemaligen deutschen, zuge­schütteten Bunker mit über 100 toten Sol­daten. Südwestlich außerhalb vom Dorf, in einer Scheune, 24 tote Soldaten und in ei­nem kleinen Waldstück gegenüber der Dorfschule acht tote Soldaten.

Am nächsten Tag, in aller Frühe, fuhren zwei Zeugen mit uns in eine riesige Balka, die sechs Kilometer südlich von diesem Dorf liegt. In dieser Balka haben schwere Kämpfe stattgefunden, und man hat die Toten da begraben, wo sie gerade lagen. Unzählige Tote, also mehrere hundert Soldaten sind hier von einem anderen Dorf begraben worden. Zu dem Zeitpunkt, als die Deutschen fielen, also am 21. und 22. Dez. 1942, herrschte Frost von minus 25-28 Grad, 25-30 cm Neuschnee und eisiger Wind wehte von Osten her. Die Toten mussten bis März 1943 liegen bleiben und als der Frost nachließ, wurden sie mit Seilen hinter den Traktoren in die Unterstände gezogen und sofort mit Erde bedeckt. Man hatte Angst vor einer Seuchengefahr.

Dorfleben
Als wir zunächst in das Dorf Nischnij-Astachov fuhren, begleiteten unseren langsam fahrenden Lada viele Dorfkinder. Sie waren einfach neugierig auf die Fremden. Ich hatte noch Notrationen bei mir, z. B. Müsliriegel, Schokolade und Jens hatte noch Kaugummi. Wir boten den Jugendlichen unsere Sachen an, die sie aber nicht annahmen, vielleicht aus Scheu, oder war das Misstrauen? Ich habe einen Riegel gegessen, danach nahmen sie alles an und man verfolgte uns mit neugierigen Blicken. Jedenfalls ging es im Dorf durch aller Munde und wir wurden wie Könige aufgenommen. Den Grund dafür erfuhren wir erst später.

Diese arme Landbevölkerung bezieht keine Rente, sie leben von dem, was sie selber anbauen, oder vom Tausch. Ein Geschäft gibt es nicht in diesem Dorf. Nur ein kleines Magazin. Hier kaufen wir zwei große Dosen Ölsardinen und zwei Flaschen Wodka, Brot war nicht zu bekommen. Alles backt man selber in einem gemauerten Ofen auf dem Hof.

Zwischenzeitlich hat Alexey eine Unterkunft bei Nicolai bekommen, einem Zeitzeugen, der uns bereitwillig zwei Räume in seiner Kolchose zur Verfügung stellte. Babuschka, seine Frau, machte das Abendbrot fertig, es gibt für drei aus­gehungerte Männer eine große Pfanne Bratkartoffeln, eingelegte Tomaten und Gurken, frischen Salat aus dem Garten. Einen großen Teller frische Sahne und Butter, eine Mettwurst wurde aufgeschnit­ten, unsere vorher gekauften Ölsardinen und selbst gebackenes Brot.

Später saß man mit den Dorfbewohnern auf einer Bank vor dem Haus, man prostete sich zu nach dem guten Abendessen, beobachtete den klaren Sternenhimmel und erzählte über vergangene Zeiten und den schrecklichen Krieg. Jetzt kam auch heraus, weshalb wir so freundlich in diesem Dorf empfangen wurden. Es wurde erzählt, dass die Deutschen mit ihren schweren Panzern die Datschas und Kolchosen rücksichtsvoll umfahren haben. Nie wurde jemand verletzt oder Sachen beschädigt.

Der eigene Landsmann kam mit seinem Panzern die Balka herunter, fuhr rücksichtslos mitten durch die Häuser und massakrierte die noch lebende Dorfbevölkerung. Es muss damals ein richtiges Blutbad gegeben haben. Deshalb haben sie noch heute Angst vor dem eigenen Militär.

Zum Schlafen bot man mir ein Kosakenbett an, ein Bett nur zum Anschauen. Ich staune über die außerordentliche Sauberkeit, schneeweiße Bezüge, drei flach aufeinanderliegende dicke Daunenkopfkissen. Das Ganze mit einer weißen Tüllgardine wie ein Zelt abgedeckt.

Am kommenden Morgen gibt es reichlich Rührei, Butter und Brot. Diese armen Leute geben ihr Letztes. Wir überreichen der Babuschka kleine Geschenke und einen Geldbetrag. Dem Hausherrn versprechen wir, eine Zigarettenmaschine zu schicken, denn er hat es in den Kriegsjahren bei den deutschen Soldaten gesehen, wie sie ihre Zigaretten gedreht haben.

Am nächsten Morgen gehen wir zu einem anderen Zeitzeugen, als er uns kommen sieht, läuft er davon und versteckt sich in einem Gänsestall. Wir bleiben stehen und bemerken, dass dieser alte Mann Angst hat. Alexey ruft ihn an, und langsam kommt er aus seinem Versteck. Er sagt ganz offensichtlich, dass er Angst hat, denn er sah zwei Männer in Uniform, und ich hatte eine schwarze Lederjacke an, ich würde aussehen, als ob ich von der KGB wäre (Geheimpolizei).

Jens, der Größte von uns, durfte nicht mitfahren, statt dessen wollte er seinen Freund mitnehmen. Wir setzten Jens an dem ehem. deutschen Bunker ab, dann konnte er hier schon mit seinem Metallsuchgerät suchen. Alexey und ich fuhren ins Dorf zurück und holten unsere älteren Zeit zeugen ab, um in eine große Balka mit sehr vielen (hunderte von deutschen) Soldaten, die hier begraben wurden, zu fahren

Wir fahren über die unbefestigte Dorfstraße. Durch den leichten Regen vom Vortag ist das Gras sehr nass, wir kämpfen uns vorwärts mit unserem Allradwagen durch zermatschte Feldwege. Beide Herren bestätigen uns, dass hier noch keine Grabplünderer tätig waren.

Ich mache Fotos, Notizen und Handzeichnungen für meinen Bericht, filme die umliegende Gegend und Höhenzüge und lausche mit laufender Kamera den Gesprächen unserer Zeitzeugen Stephano und Nicolai. Ein wichtiges Dokument, um später die vermuteten Grablagen wiederzufinden und die Ausbettung zu organisieren. Bodenbeschaffenheit, manchmal die Höhe des Grundwasserspiegels, Tiefe der Grablagen, vermutete Anzahl der Toten, Grablagenumfeld, Vegetation. Gefährdungsgrad der Grablage und Anfahrtsweg sind in meinen Unterlagen zu finden.

Der in dieser Balka gefundene Friedhof, liegt mitten in der Steppe, ohne markante Orientierungspunkte. Den Weg müssen wir uns genau einprägen und skizzieren. Es wäre sehr ärgerlich, eine schon geortete Grablage später nicht wieder zu finden.

Jetzt müssen wir aber fahren, denn wir wollen noch nach Bokowskaja am oberen Tschir. Schnell bringen wir unsere russ. Begleiter ins Dorf. Wir bedanken uns noch mal für die ausgezeichnete Hilfe. Stephano grüßte mit Hitlergruß (ausgestrecktem Arm und flacher Hand mit rechts). Wir sind in diesem Moment ganz verdutzt und winken freundlich der zurückgelassenen Dorfbevölkerung zu.

Zunächst müssen wir immer in Richtung Osten fahren. Hinter Nischnij-Astachov scheint die Welt aufzuhören. Wir fahren und fahren wieder durch die unendliche Kalmückensteppe ohne Wege und Hinweisschilder. Es geht ständig rauf und runter, diese Balkas haben es in sich. Wir haben also richtig entschieden, den Geländewagen zu nehmen und nicht einen Kleinbus, der auf solchen Wegen Schwierigkeiten gehabt hätte.

Wir sehen von weitem vor uns fahrende Autos auf einer Straße. Das muss ein Zubringer sein nach unserem nächsten Ziel. Die Fahrt wird wesentlich ruhiger, und man spürt Menschen in der Nähe. Nach kurzer Zeit kommen wir nach Bokowskaja. In diesem Ort müssen 1942 große Kämpfe stattgefunden haben mit vielen gefallenen deutschen Soldaten, so sagt man uns. Aber wir können uns jetzt nicht mehr damit aufhalten, denn die Zeit läuft uns weg.

Wir fahren ohne Pause den Tschir runter bis Oblivskaja und weiter zum ehem. Feldflughafen Pietomnik und den deutschen Bunkern im Kessel von Stalingrad. Es ist grauenhaft, was wir hier sehen. Frisch aufgebrochene Gräber. Gebeine liegen herum, leere Wodka- und Wasserflaschen liegen hier, sowie leere Schachteln russ. Zigaretten. Die Russen suchen nach Edelmetallen, Zahngold, Auszeichnungen, Koppelschnallen und Erkennungsmarken. Diese Toten können nicht mehr identifiziert werden. Schweigend bedecken wir die Gebeine mit Erde, denn die Angehörigen dieser toten Soldaten können nicht mehr benachrichtigt werden.

Resümee
Auf der weiteren Rückfahrt ziehen wir Bilanz: Die Fahrt nach Nischnij-Astachov hat sich gelohnt. Das Ergebnis meiner langen Nachforschungen ist zufrieden stellend. Wir haben Gräber gefunden, deren Zustand jedoch stimmt uns nachdenklich. Denn sie sind auf keiner Karte verzeichnet, es steht kein Kreuz oder Denkmal darüber. Keine Behörde ist darüber unterrichtet, in Russland oder Deutschland (Dienststelle WAST Berlin - Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. in Kassel - DRK in München).

Aber wir hoffen, die deutschen Soldaten im nächsten Jahr bergen zu können. Viele Familien werden dann eine Nachricht über den Verbleib ihres Angehörigen bekommen und von der Ungewissheit über sein Schicksal befreit sein.

Die Reise in die Vergangenheit musste ich machen, da die Herren Gurski und Tielsch (Ausgrabungsleiter in Russland vom Kriegsgräberbund) noch weit bis ins Jahr 2000 im Kessel von Stalingrad zu tun haben. Aber solange konnte ich nicht warten, denn dann wären in dieser Zeit meine Zeitzeugen verstorben.


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Der Beitrag wurde am Montag, den 25. Juni 2007 um 16:13 Uhr unter der Kategorie Auf der Suche veröffentlicht. Sie können die Kommentare zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0 Feed verfolgen und selbst einen Kommentar schreiben.

12 Reaktionen zu “Reise in die Vergangenheit”


  1. Blume

    Ich suche das Grab meines Großvters Walter Blume aus Halberstadt wohnhaft damals Sedanstr.
    Mein Großvater wurde am Kursker Bogen in der Ukraine in der UdSSR zuletzt gesehen und als vermißt gemeldet.Seine Söhne waren damals 9 und 11 Jahre alt. Er war mit Frau Anneliese Blume geb. Hake verheiratet. Ich würde mich sehr freuen wenn ich eine Erläuterung bekäme, wie ich zukünftig vorgehen müsste um sein Grab ausfindig machen zu können.
    Danke! Thomas Blume - Wolfenbüttel

  2. petra lukas

    ich habe herausgefunden, das mein grossvater johann wabinski, am 28.04.1943 in nowo pawlowka gefallen ist, und daraufhin in snesnoje beerdigt worden ist.es gibt die grabnummer sowohl ein foto vom grab. aber leider konnte ich nicht ausfindig machen wo dieses snesnoje liegt. ich waere sehr dankbar fuer eine hinweis!
    petra lukas

  3. Dirk Gremmel

    Mein Onkel Wilhelm Gremmel ist am 27.02.1943 bei Nowo-Pawloka gefallen.Nun würde ich gern wissen ob die Möglichkeit besteht herauszufinden in welchem Grab er liegt?
    In dem Beiledsbrief von 1943 steht leider nur das er in einem mit einem schlichtem Holzkreuz geschmücktwm Grab liegt. Ich würd mich über eine Antwort freuen.
    Dirk Gremmel,Liebenburg

    Hinweis vom VRK-eV
    Sucheinträge bitte im Gästebuch der Homepage vornehmen

    .
    AW vom Verein Russland Kriegsgraeber eV

    Es gibt (mind.) 3x diesen Ort in Russland und (mind.) 2x in der Ukraine.
    Zur Suche werden also weitere Daten-Informationen benötigt.
    Mit freundlichem Gruß vom VRKeV-Vorstand

  4. Hartmut Hoenen

    meine Frage: nach Berichten meines Vaters Jakob Hoenen
    gab es heftige Kämpfe in der Kalmückensteppe. Welche Informationen haben Sie darüber und wie verliefen diese?
    Leider starb mein Vater 2005 und meine Fragen stellten sich erst später.
    (Einheit meines Vaters: 23.PD - Eiffelturm )

    Vielen Dank für Ihre Mühen im Voraus
    Hartmut Hoenen

    .
    AW vom Verein Russland Kriegsgraeber eV.
    .
    Literaturhinweise zur 23.PD senden wir in einer persönlichen Direktmail.

    Mit freundlichem Gruß vom VRKeV-Vorstand-

  5. Schütte

    Hallo!
    Mein Vater hieß Ferdinand Caspary. Hier zunächst ein paar Daten zu ihm:
    Dienstgrad: Gefreiter
    geboren: 30.06.1912
    gefallen/vermisst: 22.12.1942
    Mein Vater wurde in Gelsenkirchen geboren und wurde seit dem 22.12.1942 in Rußland als vermißt gemeldet.

    Er war in der 306 Infanterie Division, 2. Btl. Gren. Rgt 580. (evtl. 6. Kompanie).

    Ich weiß nicht ob wir jemals erfahren werden wo er begraben ist, aber für jede Information wäre ich sehr, sehr dankbar. Vielleicht kann uns ja hier jemand helfen. Vielen Dank im Vorraus.

    Ursula Schütte

    PS: Ein sehr interessanter Bericht oben!

  6. Arn Praetorius

    Hallo und guten Tag. Die Stalingrad-Verlustzahlen waren nach meinen Quellen leider doch viel höher. von den ca. 250000 Soldaten fielen 500.000 sowjetische Soldaten, 146.000 deutsche Soldaten und 45.000 Zivilisten. 90.000 Soldaten kamen in Gefangenschaft. Von denen kehrten 6.000 nach Deutschland zurück.
    Ich habe das recherchiert, weil auch mein Vater in Stalingrad 2 x verwundet, dann mit Resten der 384. ID ausgeflogen wurde und dann in Rasdorkaja, östlich von Rostov fiel.

    Herzliche Grüße
    Arn Praetorius

  7. Chipley

    Hallo, mein Opa heisst Ernst Rupp, geb.09.03.1910, vermisst, Stab 1./schwer. Werfer Rgt. 2, Stalingrad. Wir haben vom DRK ein Schreiben, dass er wohl i.d. Gefechten um Stalingrad gefallen/in Gefangenschaft gestorben ist, es wurden aber keine Gebeine gefunden, vielleicht gibt es etwas neues, meine Mama ist bereits 78 Jahre alt und ich wuerde mir wünschen, dass sie vor ihrem Ableben endlich Gewissheit bek arme, wo ihr lb. Papa geblieben ist.
    Liebe Gruesse
    Petra Chipley

  8. Hartmut Hoenen

    Frage: eine persönliche direktmail zu Nr.4 hat mich bisher nicht erreicht. schade. mein interessse daran besteht aber nach wie vor.

    mit freundlichen grüssen
    h.hoenen

    Hinweis vom VRKeV:
    Eine Kopie der Mail vom 7.6.12 -an eine andere Mailadresse gerichtet gewesen- kommt umgehend.

  9. Diedrich Fritzsche

    Mein Vater war Arzt in der 306. Infantrie Division. Von ihm habe ich eine genaue Lageskizze von Nowo Pawlowka am Mius und Snesnhoje vor Stalino gelegen (heute Donezk) mit der Lage der einzelnen Einheiten. Sie kann mich gern kontaktieren, dann schicke ich eine Kopie.
    Mit freundlichen Grüßen
    Diedrich Fritzsche

    .
    .

  10. Harald Goronzy

    Hallo Lukas,

    auf Nachfrage beim VdK, Referat Angehörigenbetreuung, wurde mir mitgeteilt, dass voraussichtlich erst in einigen Monaten eine klärende Antwort bzgl. des Grabes v. Franz Schuster/Schwiegervater möglich ist.
    Meine Recherchen zum Kgf. im Raum WOLSK I-Russland haben mir so gut wie überhaupt keine Erkenntnisse gebracht.
    Wäre dankbar über Lösungsansätze zu möglichen, eigenen Nachforschungen oder aber Hinweisen,die auf den “Erfahrungsschatz” des VRK beruhen.
    Möchte aber nicht in “private Konkurrenz” zu den etablierten Organisationen tätig werden.

    M.F.G. H.Goronzy

  11. Maria Ariane Nickel

    Ich suche immer noch Information zu dem Verbleib/Grab von Hermann Grothe aus Gelsenkirchen. Letzte Post das er vermisst wird und nicht zurück kehrte kam 1943.
    Dienstelle der Feldpost Nr.27571
    Pionier
    Schlacht Atachov (Donbogen) 21./22.12.1942
    Leider habe ich nicht mehr Angaben und meine Oma konnte mir nicht mehr Angaben zu ihrem Bruder machen.

  12. Anke Pranz

    Meine Omas Schwesters Mann Otto Reppnack ist auch 3 Tage nach seinem Einzug am 20.12.1942 zur Front am Großen Donbogen vermisst. Er war ein wunderbarer Vater von 3 Kindern und liebevoller Ehemann. Bis zum Hitler-Stalin-Pakt hatten sie in Paris, Bessarabien gelebt. Ich würde mir wünschen, dass das Schicksal von ihm sich aufklärt, so dass zumindest seine Kinder sich würdevoll von ihm verabschieden können. Sein Sohn Willy ist am 20.9. 80 Jahre geworden. Zeitlebens haben alle es nie aufgegeben, dass er wiederkommt. Meine Oma ihre Schwester Helene hatte lange Zeit nicht anerkannt ihn für tot erklären zu lassen. Es ist traurig


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