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« Im Sommer 1941 rettete Hitler womöglich Stalin  |   Aufstand der Offiziere - 20. Juli 1944 »

Todesmarsch von Hitlers 7. Infanterie-Division

Am 22. Juni 1941 erging der Befehl, die Sowjetunion zu überfallen. Auch die 7. Infanterie-Division machte sich auf den Weg nach Moskau – in den Untergang.

Am 22. Juni 1941, in der gerade einsetzenden Morgendämmerung, ging es los. Mit einem Aufruf, einem Angriffsbefehl, mit 3,3 Millionen Männern, die die Grenze überschritten. Am Ende stand der Tod von 14 Millionen Soldaten und rund 18 Millionen Zivilisten. Fast vier Jahre dauerte der Vernichtungskrieg zwischen den beiden totalitären Ideologien des 20. Jahrhunderts, der mit dem Überfall der Wehrmacht auf die Sowjetunion begann. Der deutsche Diktator hatte es angekündigt, immer wieder: Er wolle um “Lebensraum im Osten” kämpfen.

In seinem Buch “Mein Kampf” fasste Adolf Hitler Mitte der 1920er-Jahre sein politisches Streben in dem Satz zusammen: “Deutschland wird entweder Weltmacht oder überhaupt nicht sein.” 15 Jahren später machte er Ernst: Am 31. Juli 1940 teilte der Diktator der Wehrmachtsführung seinen Entschluss mit, die Sowjetunion im Frühjahr 1941 anzugreifen. Nach dem unerwartet leichten Sieg über Frankreich in sechs Wochen sollte der Krieg gegen die Sowjetunion als “Blitzkrieg” geführt werden.

Es ging nicht nur um Eroberung von Territorien, wie Hitler der höheren Generalität am 30. März 1941 eröffnete, sondern um die Vernichtung des Gegners, “der bolschewistischen Kommissare und der kommunistischen Intelligenz”. Sie stellten für ihn die vollendete Herrschaft des Judentums dar. Für Hitler war es daher konsequent, dass der Krieg im Osten von Anfang an als Vernichtungskrieg geführt wurde. Mit der Wehrmacht sollten die Vollstrecker des Völkermords, Einsatzgruppen und SS, marschieren.

Seit dem Frühjahr 1941 wurde das Ostheer an der Grenze zur Sowjetunion zusammengezogen. Eine der rund 140 Divisionen war die 7. Infanterie-Division, die bis dahin für eine Invasion in England geübt hatte. Sie wurde zunächst bei Warschau konzentriert, im Mai an den Bug befohlen, weil “der Russe weitere Kräfte in das Grenzgebiet” schiebe. Nach der Verzögerung, die der Feldzug gegen Jugoslawien und Griechenland bedeutete, wurde als Termin für das “Unternehmen Barbarossa” schließlich der 22. Juni 1941 festgesetzt. Hitler und seine Generäle waren fest davon überzeugt , den Krieg in wenigen Wochen zum Abschluss bringen zu können.

Sie verzichteten darauf, Reserven anzulegen oder die Rüstungsproduktion zu steigern. Zahlreiche Truppen waren mit Beutewaffen ausgestattet, motorisiert waren nur die 26 Panzer- und Panzergrenadier-Divisionen. Doch selbst bei ihnen betrug das Verhältnis von kämpfender Truppe zu den Versorgungsmannschaften vier zu eins. Zum Vergleich: In der US-Armee kamen auf 57 Kämpfer 43 Logistiker. Mangelhafte Ausrüstung, ein verfehltes strategisches Konzept und eine groteske Unterschätzung des Gegners waren die Faktoren, die innerhalb von sechs Monaten die Wehrmacht an den Rand des Untergangs trieben.

In der Abteilung Militärarchiv des Bundesarchivs in Freiburg haben sich zahlreiche Akten der 7. Infanterie-Division der Wehrmacht erhalten. Sie sind die Grundlage der hier folgenden Chronik. Sie zeichnen den Weg nach von der deutsch-sowjetischen Grenze am Bug bis in die Außenbezirke von Moskau. Und sie dokumentieren die Metamorphose von 17 250 Soldaten, die antraten, “Ruhm und Ehre” zu suchen, und sechs Monate später für ein paar gefrorene Kartoffeln töteten.

21. Juni 1941, wenige Kilometer südlich von Bialystok

“Soldaten der 7. Division! Der Führer hat den Angriffsbefehl gegeben. Wir wollen in eiserner Pflichterfüllung den Ruf unserer Division hochhalten und neuen Ruhm und Ehre an unsere Fahnen heften. Der Feind fürchtet uns; wir werden ihn vernichten, wo wir ihn treffen. Ich wünsche Euch Soldatenglück und vertraue auf Euch. Unser altes Losungswort gilt: ,Vorwärts, ran an den Feind!’ Es lebe unser Volk, es lebe der Führer!”

Mit diesen Worten wandte sich Generalleutnant Freiherr Eccard von Gablenz (1891-1978) am 21. Juni 1941 an die Soldaten der 7. Infanterie-Division (ID). Sie übertrugen in traditionelle militärische Rhetorik, was ihr “Führer” Adolf Hitler zuvor in seinem “Aufruf” den “Soldaten der Ostfront” mitgeteilt hatte: Dass es ein “bitterer und schwerer Schritt” gewesen sei, den Angriff gegen die “jüdisch bolschewistischen Weltbrandstifter” zu befehlen. Dass seit Monaten eine “Verstärkung der deutschfeindlichen sowjetischen Tätigkeit” zu beobachten sei. Dass “Moskau die Abmachungen unseres Freundschaftspaktes nicht nur gebrochen, sondern in erbärmlicher Weise verraten” habe. Und dass “in diesem Augenblick” sich ein Aufmarsch vollzieht, “der in Ausdehnung und Umfang der größte ist, den die Welt je gesehen hat … um die ganze europäische Zivilisation zu retten.” Wenige Stunden später begann einer der blutigsten und folgenreichsten Kriege der Geschichte.

22. Juni 1941, nördlich des Bug (1780 Kilometer bis Moskau)

Der katholische Divisionspfarrer berichtete: “Diesen für die Weltgeschichte so bedeutungsvollen Junisonntag leitete um 03:15 Uhr die deutsche Artillerie an der ganzen Front mit ihrem großen Wecken ein. Seelsorglich begann ich meine Arbeit mit einer Feldmesse um 07:30 für das Stabsquartier. Dann begab ich mich mit dem evangelischen Divisionspfarrer zum Hauptverbandplatz, wo unser bereits reiche Arbeit harrte.”

Die 7. ID hatte zwei Geistliche, für beide Konfessionen einen. Sie verfügte über drei Infanterie-Regimenter, ein Artillerie- und ein Nachschub-Regiment, ein Pionier-Bataillon sowie Nachrichten-, Panzerabwehr- und Aufklärungs-Abteilungen. Sie war ein Großverband von ungeheurer Kampfkraft, eine Armee im Kleinen aus mehr als 500 Offizieren, knapp 17.000 Unteroffizieren und Mannschaften, und dazu 5180 Pferden – denn der motorisierte Fuhrpark war sehr überschaubar. Geführt wurde die Division von einem General. Wie die 139 anderen Divisionen, gegliedert in drei Heeresgruppen mit sieben Armeen und vier Panzergruppen, überschritt die 7. Infanterie-Division am 22. Juni die Grenze. Insgesamt waren es gut 3,3 Millionen Mann mit 3350 Panzern und 600.000 Kraftwagen. Die größte Armee aller Zeiten.

22. Juni 1941

“Nach Gefangenenaussagen und aufgefangenen Funksprüchen ist der Feind anscheinend vollkommen überrascht”, schrieb ein Offizier ins Kriegstagebuch der Division, und er vermerkte “schwierigste Wegeverhältnisse – tiefer Sand! Es fehlen brauchbare Wegeverbindungen von West nach Ost.”

Am ersten Tag des Ostkrieges verzeichnete die 7. ID nach harten Gefechten im Grenzgebiet bereits 47 Gefallene, nur am 5. August (60) und am 26. Oktober (51) sollten es mehr sein – zumindest im Jahr 1941. “Das hat es in den vorangegangenen Feldzügen nicht gegeben”, erinnerte sich ein Überlebender der Division. “Der Kriegsschauplatz hier im Osten ist in jeder Beziehung ein anderer als im Westen “, notierte der katholische Divisionspfarrer. “Es wird lange dauern, bis wir wieder da sind, wo jetzt die Sonne untergeht”, hatte ein Bataillonskommandeur seinen Leuten beim Befehlsempfang gesagt. Er wusste nicht, wie recht er damit hatte.

26. Juni 1941, am Narew (1660 Kilometer bis Moskau)

Nach dem Abschluss der großen Vernichtungsschlacht östlich von Bialystok war “die Division mit einer Marschleistung von 30 bis 35 Kilometern täglich durch Sand und Staub, in russischer Hitze und auf grundlosen Wegen im zügigen Vorgehen über Minsk nach Osten”.

Was mit dem Land, durch das die Division zog, geschehen sollte, hatte zuvor ein Befehl der 4. Armee geregelt, der sie unterstellt war: “Eine planmäßige Militär- oder Zivilverwaltung wird nicht eingerichtet … Es ist beabsichtigt, das Land erst in eine planmäßige Verwaltung zu nehmen, wenn es aus dem Operationsgebiet ausgeschieden und zum politischen Gebiet unter einem Reichskommissar geworden ist. Kriegsgefangene sind weitgehend als Arbeitskräfte zu verwenden. Ihnen sind Decken, Küchen, Zelte zu belassen.”

Zugleich wurde die Truppe angehalten, jeden Verkehr mit der Bevölkerung zu meiden . Denn: “Die Hauptaufgabe der Fleckfieber-Vorbeugung bleibt die Bekämpfung der Läuse.”

1. Juli, Wolkowysk (1530 Kilometer bis Moskau)

“Die Schlacht im Narew-Bogen ist beendet. Die hier gestandenen Feindkräfte sind vernichtet … Der Feind verteidigte sich den vorangegangenen Kämpfen außerordentlich zäh, manchmal - selbst in verzweifelter Lage - bis zur letzten Patrone.” Die tägliche Brotration wurde von 750 auf 600 Gramm gekürzt, weil die Bäckereikompanie mit Backen und die Nachschubeinheiten mit der Verteilung nicht nachkamen.

Die Wehrmacht hatte ihr bestes Material in den 26 Panzer- und motorisierten Infanterie-Divisionen der Panzergruppen konzentriert, die in einem “Blitzkrieg” die Rote Armee vernichten sollten. Die stärkste Waffe, über die die 7. ID verfügte, waren leichte Panzerabwehrkanonen. Dabei war die 7. ID eine Elitedivision. Sie rekrutierte sich aus dem Wehrkreis VII mit Sitz in München und war aus den Kadern gebildet worden, die dort bereits im Rahmen der Reichswehr gedient hatten. Nur noch zwei weitere der zwölf Divisionen der 4. Armee, zu der sie gehörte, war wie die 7. ID ausschließlich mit Waffen aus deutscher Produktion ausgerüstet.

Die 7. ID verstand sich als Traditionsträgerin der bayerischen Truppen, die im Ersten Weltkrieg gekämpft hatten. Zu denen gehörte auch das Königlich Bayerische Reserve-Infanterie-Regiment Nr. 16, in dem Adolf Hitler Meldegänger gewesen war. Der erste Divisionskommandeur der 7. ID war 1935 Franz Halder (1884-1972) geworden. Er hatte sich gegen die örtliche NSDAP durchsetzen können, die einen Auftritt der Division bei der Fronleichnamsprozession hatte verhindern wollen, und galt als vergleichsweise autonomer Kopf. Seit 1938 amtierte Halder als Generalstabschef des Heeres. Die landsmannschaftliche Bindung der Soldaten war stark. Das zur Division gehörende Infanterie-Regiment 62 etwa verstand sich als niederbayerisches “Bauernregiment”, seine Soldaten nannten sich stolz “Schniggl”. Der Hirtenbrief des katholischen Feldbischofs Franziskus Justus vom 29. Juni 1941 hatte ihnen versichert, dass der “Krieg gegen Russland ein europäischer Kreuzzug” sei.

3. Juli 1941

Generaloberst Halder notierte euphorisch in sein Kriegstagebuch: “Es ist also wohl nicht zu viel gesagt, wenn ich behauptete, dass der Feldzug gegen Russland innerhalb von 14 Tagen gewonnen wurde. Natürlich ist er damit noch nicht beendet. Die Weite des Raumes und die Hartnäckigkeit des mit allen Mitteln geführten Widerstandes werden unsere Kräfte noch viele Wochen beanspruchen.”

Ein Zugführer der 7. ID schrieb zur gleichen Zeit: “Marschieren, marschieren, 14 Tage lang … Das gibt mir den Rest. Eine namenlose Wut habe ich. Ich gehe weit allein durch die Kornfelder, was soll ich nur machen. Das ist nun das Ende des zweiten Weltkriegsjahres und immer sollen wir nur marschieren.”

Viele konnten schon nicht mehr marschieren. “Wegen des Mangels an Kraftwagen ist der Abtransport von verwundeten Kriegsgefangenen nur dann durchzuführen, wenn die eigenen Verwundeten restlos versorgt sind”, ordnete ein Divisionsbefehl an. “Andernfalls sind die verwundeten Kriegsgefangenen an Ort und Stelle zu belassen.”

12. Juli 1941, Minsk (1200 Kilometer bis Moskau)

Die Ausfälle von Lastkraftwagen nahmen “in beunruhigendem Maße zu”. Der Nachschub stockte. Gegen ausdrücklichen Befehl gingen Truppenteile zu “freiem Schlachten” von Vieh und “wilden Beschaffungen” über.

15. Juli 1941

“Es wird an den grundsätzlichen Befehl erinnert, dass nichts umkommen darf. Jede Vergeudung wirkt sich als Sabotage an der deutschen Ernährungswirtschaft aus.”

18. Juli 1941, Mogilew (1000 Kilometer bis Moskau)

Wegen des “katastrophalen Zustandes der Kleidung” mussten 10.000 “Beutefußlappen” beschafft werden. Die Forderung nach 20 000 Socken wurde mit dem Hinweis begründet, dass die Marschfähigkeit sonst gefährdet sei. In diesem Zustand begann die Division ihren Angriff über den Dnjepr.

Das Oberkommando des Heeres dachte da schon über den Tag hinaus: “Sobald die noch ostwärts der Djnepr-Düna-Linie stehenden russischen Kräfte zerschlagen sind”, hielt es 56 Divisionen für die “Besetzung und Sicherung des russischen Raumes” für ausreichend. Nur für diese sollte Winterbekleidung bereitgestellt werden.

23. Juli 1941

Der Divisionskommandeur der 7. ID, Gablenz, stellte fest, dass “Armeebefehle völlig ignoriert werden”. Mit “vorgehaltener Waffe” werde derart geplündert, dass die “Ernährungsgrundlage der Bevölkerung nicht mehr sichergestellt” sei. Damit weiche “das anfängliche große Vertrauen der Bevölkerung zur Deutschen Wehrmacht einer tiefen Verzweiflung”.

28. Juli 1941

Weil keine Nachschubkapazitäten zur Verfügung standen, fuhr eine Kolonne mit divisionseigenen Fahrzeugen nach Warschau, um zurückgelassene Bekleidung abzuholen. Wegen Mangels an Zugmaschinen mussten die Panzerabwehrkanonen mit Pferden bespannt werden. “Dienstunfähige Pferde”, hieß es, seien als “nötigste Verpflegung der Kriegsgefangenen” zu behandeln.

4. August 1941, Kritschew (740 Kilometer bis Moskau)

Während des Vormarschs auf Roslawl blieben Vermisste zurück, die “dann nach gewonnenem Kampf, durch Rote Bestien geschändet, aufgefunden wurden”. Der Frontabschnitt, den die 7. ID zu halten hatte, betrug mittlerweile 48 Kilometer, mehr als ein Tagesmarsch. An der Grenze waren es noch 15 Kilometer gewesen. Der zu kontrollierende Abschnitt hat sich mehr als verdreifacht.

14. August 1941, Roslawl (600 Kilometer bis Moskau)

Nach dem erfolgreichen Abschluss der “Einschließungskämpfe”, in denen zahlreiche russische Divisionen aufgerieben wurden, befahl Gablenz seiner Division den Ernteeinsatz, um “sinnlosen Zerstörungen … entgegenzutreten” und eine “weitgehende, aber vernünftige Versorgung der Truppe aus dem Lande zu gewährleisten, ohne dass dabei die Existenzmöglichkeiten der einheimischen Bevölkerung und der landwirtschaftlichen Betriebe im Großen gefährdet wäre”. Allerdings: Soldaten, die nicht zur Division gehörten, würden in Viehbeständen derart wüten, “dass ganze Dörfer jetzt ohne Vieh sind und ihre Ernährung in Frage gestellt ist”. Vor allem aber: “Im Interesse der Versorgung des Großdeutschen Lebensraums einschließlich der besetzten Gebiete muss eine geregelte Bewirtschaftung der Viehbestände durchgeführt werden.”

Mit dem Befehl, die Angehörigen anderer deutscher Truppenteile seien “festzustellen”, bewies der Divisionskommandeur einen Sinn für Disziplin, der anderswo schon verloren gegangen war. Allerdings musste er feststellen, dass seine eigenen Offiziere die “Versündigung an der Ernährungslage des deutschen Volkes” nicht nur duldeten, sondern mit schlechtem Beispiel vorangingen.

15. August 1941

Dem Divisionskommandeur Gablenz wurde das Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes verliehen.

Ein Stabsoffizier beschrieb ein “neuartiges Wurfgerät” der Russen, mit dem 32 Schuss in der Sekunde abgefeuert werden konnten. Neben dieser “Stalinorgel” verfügte die Rote Armee über ein Flachbahn-Geschütz mit Kaliber 7,62 Zentimeter, das die deutschen Soldaten “Ratsch-Bumm” nannten. Vor allem aber der Panzer T 34 erfüllte sie mit Staunen und Furcht. Diesem mittelschweren, beweglichen und gut bewaffneten Tank war nicht einmal der stärkste deutsche Panzer IV gewachsen. Davon hatte die Wehrmacht bei Kriegsbeginn gerade einmal 444 Stück im Bestand - nur 166 mehr, als gegen Frankreich aufgeboten worden waren.

21. August 1941

Die Versorgung der steigenden Zahl russischer Gefangener, die für diverse Arbeiten eingesetzt wurden, gestaltete sich Tag für Tag schwieriger. “Es wäre dringend wünschenswert, dass für die 360 Gefangenen wenigstens etwas Brot durch die Division beschafft würde.” Kurz darauf meldete der für die Versorgung zuständige Quartiermeister, dass das Brot selbst für die Soldaten verschimmelt und eine geregelte Fleischversorgung unmöglich sei.

28. August 1941, im Jelnia-Bogen (550 Kilometer bis Moskau)

Während die Panzer-Divisionen, die Moskau erobern sollten, zur Kesselschlacht von Kiew nach Süden beordert wurden, musste die 7. ID im Jelnia-Bogen südlich von Smolensk eine Defensiv-Position beziehen. In den folgenden Tagen stürmte die Rote Armee wiederholt gegen diese Stellung an und durchbrach sie an einigen Stellen. Letzte Reservenwurden an die Front gebracht. Erstmals im Zweiten Weltkrieg tauchte das Wort “rückläufige Bewegungen” in deutschen Truppenberichten auf, ein Euphemismus für Rückzug.

Über das Grauen der Kämpfe schrieb ein Soldat der 7. ID in sein Tagebuch: “Wie anders war das in Frankreich, wie anders in Flandern und sogar in den Ebenen Polens … Das dumpfe, vielfach mongolische und tatarische Menschenmaterial gehorcht blindlings den Befehlen der Kommissare und Kommandeure … Hier gilt keine Kriegsregel. Wütende Offensivstöße, unterstützt durch bolschewistische Panzer und Luftwaffe, erfolgten an Stellen, an denen sie nach allen Berechnungen und Erwartungen als ebenso unsinnig wie unmöglich erscheinen mussten … Der kämpfende Soldat war blindes, stures Werkzeug und lief hartnäckig in das Dauerfeuer der deutschen MGs.”

Immerhin machte sich die Führung der 7. ID Gedanken über den nahenden Winter: “Es wird den Truppenteilen anheimgestellt, die in den Quartieren im Generalgouvernement (Polen; d. Red.) zurückgelassene Winterbekleidung und Ausrüstung (Mantel, Wolldecken usw.) selbständig nachzuführen. Ein Nachholen mit Mitteln der Division ist nicht möglich.”

Bereits zuvor hatte der Nachschubführer der 7. ID gemeldet, dass “das letzte betriebsfähige Fahrzeug eingesetzt” werden musste. Der Großteil der Lkw “leidet an Überalterung” und sei bei gegenwärtiger Lage nur noch 14 Tage einsatzfähig. Vom 4. bis 11. August hatten die Transportmannschaften in 3661 Fahrstunden 30 000 Kilometer bewältigt, das ergab 8,2 Kilometer pro Fahrstunde. Der Divisionsstab befahl, russische Beutelastkraftwagen zu reparieren sowie Alt- und Getriebeöl zu sammeln.

4. September 1941

Noch immer setzte die Führung der 7. ID auf eine gewisse Zusammenarbeit mit der Zivilbevölkerung: “Im Interesse des Ansehens der Deutschen Wehrmacht und auch aus allgemeinen und politischen Gründen kann es angebracht sein, fremden Staatsangehörigen, die sich bei besonderen Dienstleistungen der Wehrmacht gegenüber auszeichneten … 100 Reichsmark auszuzahlen, 25 zur Partisanenbekämpfung.”

Feindliche Kinotheater sollten wegen der “Führung des Propaganda-Krieges” geschont werden. Auch sei bei der Räumung von Ortschaften eine “angemessene Frist” zu gewähren, in der die Bevölkerung “an der Mitnahme des notwendigen Hausgeräts und ihres Viehs nicht gehindert werde”. Allerdings wurde deutlich gemacht, dass statt Menschlichkeit Kalkül dahintersteckte, “damit der Feldzug nicht nur auf dem Schlachtfeld, sondern auch auf dem lebenswichtigen Gebiet der Landwirtschaft bereits in diesem Jahr gewonnen wird”.

16. September 1941

“Jeder Soldat darf sich von seinen Angehörigen ein Paket … schicken lassen. Um allen Angehörigen der Division Gelegenheit zu geben, sich rechtzeitig vor Beginn des Winters mit eigenen warmen Sachen (Strickjacke, Handschuh, Pulswärmer, Ohrenschutz, Wäsche, Strümpfe) zu versorgen, wird die Division versuchen, einmalig einen Sammeltransport von München nach dem Osten zustande zu bringen.” Das Gewicht wurde auf drei Kilogramm (inklusiv Verpackung) begrenzt, was die Auswahl erschwerte.

26. September 1941, Roslawl (600 Kilometer bis Moskau)

Vom 1. bis 21. September leisteten die Fahrzeuge des Nachschub-Führers 62 801 Fahrtkilometer in 4091 Fahrstunden ab. Doch die Versorgungslage war kritisch, für die Soldaten wie auch für die im “Bereich der Division verbliebene Bevölkerung”. Es liege daher im Interesse der Truppe, sich in nächster Zeit “eines Teils der Gefangenen zu entledigen”, konstatierte der Quartiermeister, wobei an eine Abgabe an Gefangenensammelstellen gedacht war.

1. Oktober 1941

“Soldaten! Die letzte, kraftvollste Anstrengung beginnt, die der Führer und Oberste Befehlshaber in diesem Herbst von uns fordert. Es muss und wird gelingen, die russische Heeresgruppe Timoschenko zu vernichten.” Hinter diesem Tagesbefehl des Divisionskommandeurs stand Hitlers Vabanquespiel, seinen “Blitzkrieg” mit dem “endgültigen Sieg über die Rote Armee” bis zum Einbruch des Winters abzuschließen. Die 7. ID trat mit 77 anderen Divisionen zur “Operation Taifun” an, an deren Ende buchstäblich die Einäscherung Moskaus stehen sollte.

10. Oktober 1941, Juchnow (400 Kilometer bis Moskau)

Zunächst lief das Unternehmen erfolgreich an. Fast 560.000 Russen gerieten in den Kesselschlachten von Wjasma und Brjansk in Gefangenschaft, bereits Mitte Oktober wurde der äußerste Festungsring Moskaus durchstoßen. Behörden evakuierten ihr Personal aus der Hauptstadt, Stalin soll daran gedacht haben, seinen Geheimdienstchef Berija als Unterhändler zu Hitler zu schicken.

Generalstabschef Halder spielte mit dem Gedanken, “seine” alte 7. ID für ihre Leistungen zur “Leichten Division” zu befördern und als leicht bewaffnete Panzer-Division neu auszurüsten. Deren Führung wäre schon froh gewesen, wenn ihr wenigstens ausreichend Winterkleidung zur Verfügung gestanden hätte - und der Transportraum, sie zu verteilen. Am 12. Oktober wurde erstmals Nachtfrost gemessen.

Zwar gelang es den Offizieren immer noch, das wilde Beutemachen als “Sabotage an der gesamtdeutschen Ernährungslage” zu unterbinden. Aber bei anderen Divisionen sah das deutlich anders aus. In dieser Situation erließ der Oberbefehlshaber der im Süden eingesetzten 6. Armee, Generalfeldmarschall Walter von Reichenau (1884-1942), einen berüchtigten Befehl: “Das wesentlichste Ziel des Feldzuges gegen das jüdisch-bolschewistische System ist die völlige Zerschlagung der Machtmittel und die Ausrottung des asiatischen Einflusses im europäischen Kulturkreis. Hierdurch entstehen auch für die Truppe Aufgaben, die über das hergebrachte einseitige Soldatentum hinausgehen … Deshalb muss der Soldat für die Notwendigkeit der harten, aber gerechten Sühne am jüdischen Untermenschentum volles Verständnis haben.” Hitler lobte die Initiative seines Generals, dessen Befehl bis auf Kompanie-Ebene verteilt wurde.

23. Oktober 1941, Wereja (130 Kilometer bis Moskau)

Im Zuge der “Operation Taifun” nahm die “Partisanentätigkeit” zu. Ein Nest wurde “gesäubert. Alle nicht ortsansässigen männlichen Zivilpersonen zwischen 17 und 65 Jahren sind aufzugreifen, mit Waffe angetroffen, als Partisanen zu behandeln.”

Nachdem es vorgekommen war, dass man Juden zu Dolmetscherdiensten herangezogen hatte, wurde klargestellt, “dass Juden zu dienstlichen persönlichen Leistungen innerhalb des Heeres nicht heranzuziehen sind”. Erschossen wurden sie nicht. Auch Kommissare wurden in die Gefangenenlager überführt. Noch hielt die Disziplin trotz der mörderischen Belastung. Dazu trug die Verstärkung der Feldgendarmerie sicher bei. Allerdings seien viele Soldaten für diesen “vielseitigen und eigenartigen Dienst” nicht brauchbar, klagte ein Offizier. Die neuen Leute sollten daher aus der Ordnungspolizei rekrutiert werden, hätten sie doch vor allem mit Partisanenbekämpfung, Beutesicherstellung, Gefangenensammlung und der Überwachung der Zivilbevölkerung zu tun.

30. Oktober 1941

Es regnete. “Die Männer waren den Unbilden der Witterung nahezu schutzlos ausgesetzt”, hieß es im Divisionsbericht. “Niederdrückend auf die Männer, dass sie mit ungenügenden Waffen gegen einen teilweise besser ausgerüsteten Gegner kämpfen mussten … Die Männer lagen alle vier Tage und vier Nächte in der Stellung, einzelne Teile sogar eine fünfte Nacht. Wenn die Truppe nicht vollkommen zur Schlacke ausbrennen soll, sind solche Verhältnisse untragbar.”

Ein Offizier unterstrich den Satz: “Als Soldat, der das Jahr 1918 mitgemacht hat, stelle ich fest, dass wir bei dem letzten Kampfeinsatz mit genau so ungenügenden Waffen kämpfen mussten wie im Jahre 1918.” Der Divisionskommandeur meldete an das Korps, dass die 7. ID “aufgrund der hohen Verluste (Fehlbestand ca. 3000 Mann) derzeit nur noch die halbe Kampfstärke gegenüber der Kriegsstärke zu Beginn des Ostfeldzuges aufzuweisen habe”.

11. November 1941

Um Moskau doch noch vor Einsetzen des Winters einnehmen zu können, erging der Befehl, alle “entbehrlichen Fahrzeuge” abzustoßen, um diese später nachkommen zu lassen. Die Versorgung wurde von Hunderten bespannter Panje-Wagen übernommen, die aus dem Land rekrutiert wurden.

“Einzelne Leute fallen besonders auf durch vollkommen verwahrloste Kleidung”, konstatierte ein Stabsoffizier. Gegen die einbrechende Kälte wurden russische Filzschuhe ausgegeben.

30. November 1941, Autobahn Minsk-Moskau (80 Kilometer bis Moskau)

“Die völlige Verausgabung der Truppe und die Notwendigkeit von Ablösungen wurde inzwischen bis in die obersten Stäbe zur Kenntnis gebracht, doch fehlten Ersatzeinheiten”, hieß es im Divisionsbericht. Der Zeitpunkt sei sehr nahe gerückt, “in dem die Kraft der Truppe völlig erschöpft ist”, wurde der Oberbefehlshaber der Heeresgruppe Mitte, Generalfeldmarschall Fedor von Bock, zitiert. Doch statt die Offensive abzubrechen und die Front in vorbereitete Winterquartiere zurückzunehmen, befahlen Hitler und die Wehrmachtsführung den weiteren Angriff.

Dabei wusste Halder um den Zustand der 7. ID: “Regimenter mit 400 Gewehren von einem Oberleutnant geführt”, notierte er: “Die Truppe ist hier am Ende.” Ein kriegsstarkes Regiment hatte 2000 bis 3000 Mann und einen Oberst als Kommandeur.

Divisionskommandeur von Gablenz versuchte, die Situation zu retten, in der, wie sein Stab meldete, “das Missverhältnis zwischen Gefechts- und Verpflegungsstärken … im Hinblick auf die absinkende Zahl der Gefechtsstärken unhaltbare Formen” annahm. Zum einen forderte Gablenz angesichts der “Härte des jetzigen Kampfes und seiner Einwirkung auf innerlich weniger gefestigte Soldaten” strenge Disziplin. Gegen jene, “die sich durch Drückebergertum, mehr oder weniger selbstverschuldetes Abkommen von der Truppe, durch ,Krankmelden’ zum Zwecke des Wegkommens von der vordersten Linie oder sogar durch Feigheit vor dem Feinde strafbar machten”, sollten die Offiziere mit “eiserner Strenge und Schärfe” vorgehen.

Das gipfelte in einem belehrenden Befehl über “das Verhalten der Truppe im Ostraum” an seine Unterführer, in dem Gablenz feststellte, dass “das Verhalten der Truppe und des einzelnen Soldaten gegenüber dem bolschewistischen System … nicht immer klar genug” sei: “Das Ziel des Feldzuges ist die völlige Zerschlagung des bolschewistischen Systems, seiner Machtmittel sowie die völlige Beseitigung seines Einflusses in Europa. Der deutsche Soldat ist nicht nur Kämpfer mit der Waffe, sondern vor allem Träger der nationalsozialistischen Idee, die den Kampf um Sein oder Nichtsein führt … Die bolschewistische Verheißung ist das ,Paradies’ der Arbeiter und Bauern, wie wir es hier in Russland kennen gelernt haben. In Erkenntnis dieser Tatsache muss dem Soldaten immer die Notwendigkeit der Beseitigung jedes kommunistischen Einflusses, dessen Träger häufig Juden sind, klar vor Augen stehen. Dieser Kampf muss die letzten Reste der Bolschewistenmacht ausrotten.”

Gablenz ließ nicht offen, was das konkret bedeutete: “Zivilisten, die sich nachweisbar an Überfällen beteiligten, sind aufzuhängen. Diese Maßnahmen dürfen jedoch nur von einem Offizier angeordnet werden … Auf Herumstreunende in der Kampfzone ist zu schießen.” Nur wenn diese Richtschnur “bedingungslos” befolgt werde, könne das deutsche Volk und der gesamte europäische Raum von der “asiatisch-bolschewistischen Gefahr gesichert werden”.

Was dieser abendländische “Kreuzzug” in Wirklichkeit bedeutete, sollten Gablenz’ Männer bald erfahren. Da der Nachschub aus dem Reich nicht nur an Material, sondern auch an Menschen versiegte, wurden der 7. ID zwei Bataillone der französischen “Légion Volontaire” zugeteilt. “Junge Idealisten sind dabei, Abenteurer-Typen und alte Fremdenlegionäre”, erinnerte sich ein Augenzeuge. Die Führer seien zum Teil “völlig untauglich”, urteilte ein Stabsoffizier.

Der Divisionsarzt konstatierte: “nicht einsatzfähig” wegen Überanstrengung, zunehmender Kälte und “Antriebsschwäche”. Bald wurde die Légion wieder in die Etappe versetzt, zu Sicherungsaufgaben, also bei der Partisanenbekämpfung. Aufgegangen in der SS-Division “Charlemagne” sollte diese Truppe im April 1945 zu den letzten Verteidigern des Berliner Reichstags zählen.

Doch auch die psychische Belastung der deutschen Veteranen, fand der Arzt, war erdrückend. Bereits am 7. November stellte der Kommandeur des VII. Armeekorps, zu dem das 7. ID gehörte, fest, dass sich in den Ortschaften seines Befehlsbereichs “eine große Zahl von sogenannten Nachzüglern, Teile von Trossen und Staffeln und einzelne Kraftfahrer mit angeblich reparaturbedürftigen Kfz, auch fremder Einheiten” aufhielt. “Die Leute haben meist keinerlei Verbindung zu ihrem Truppenteil, bemühen sich persönlich auch gar nicht darum und haben oft keinen feststellbaren Auftrag … Sie sind fast immer ohne Aufsicht, unternehmen Beutezüge in die Umgebung … und haben meist kein Interesse, diesen Zustand zu beenden.”

Einer von diesen Nachzüglern vor Moskau war Willy Peter Reese. Das Grauen, das er in Russland erlebte, vertraute er einem Manuskript an, das erst vor wenigen Jahren bekannt wurde; er selbst fiel 1944 im Osten. Reese hat die Auflösung der Armee beschrieben, die sich am Rande der 7. ID vollzog: “Niemand wusste, wo die Front sich befand. Wir marschierten ins Ungewisse hinein und wurden den Bataillonen zugeteilt … Wir knieten oder lagen im Schnee … die Knie froren uns am Boden fest … Ein Dorf … in einigen Fenstern trübes Licht … wie ein Gespenst trat ich ein … die Frau brachte mir Milch, das Mädchen schob mir ihren Hirsebrei zu und ich aß … ein Schicksal quälte uns, doch wir hassten uns. Nächstenliebe starb … der Krieg zeugte den kommenden Geist.”

6. Dezember 1941

Längst ging es nur noch ums nackte Überleben. “An Verpflegung erhalten die Gefangenen den halben Portionssatz der deutschen Verpflegung ohne Zulagen (Zigaretten, Drops) und in der Küche nicht mehr anderweitig verwertbare Reste”, versuchte der Versorgungs-Offizier den befohlenen Hungertod zu umschreiben - bald sollte es nur noch heißen, die Gefangenen hätten sich aus dem Land zu ernähren. Aber der Boden war so gefroren, dass Schützengräben oder Unterstände nicht mehr angelegt werden konnten. Die stärkste Waffe der Infanterie waren längst russische Beutekanonen wie die “Ratsch-Bumm” geworden. “Primärwaffe” nannte sie ein Offizier.

Im Tätigkeitsbericht des Divisionsarztes findet sich eine Liste der Winterausrüstung. Danach verfügten 100 Prozent aller Soldaten über Kopfschützer, 60 Prozent über Fingerhandschuhe, 68 Prozent hatten Übermäntel, 35 Prozent Postenschuhe und 20 Prozent Überhandschuhe. Allerdings bezogen sich diese Zahlen nur auf Soldaten, denen die Ausrüstung nach Dienstordnung zustand. Von den noch 14.500 Mann der Division verfügten tatsächlich nur 2300 über Übermäntel.

Einen Tag zuvor, am 5. Dezember, hatte die Rote Armee mit ihrer Großoffensive begonnen. Eine Million Mann und 700 Panzer konnte die Stawka, das sowjetische Hauptquartier, zusammenziehen. Die deutsche Führung wurde völlig überrascht, der Zusammenbruch der Heeresgruppe Mitte schien nur eine Frage von Tagen zu sein. Generalstabschef Halder notierte, es sei die “kritischste Lage in beiden Weltkriegen”. Doch Hitler war das nicht genug. Während sich sein Ostheer in Granaten, Hunger und Eis auflöste, erklärte er den USA am 11. Dezember den Krieg. Fünf Tage später befahl der Diktator das Einstellen aller Rückzugsbewegungen und den “fanatischen Einsatz jedes Befehlshabers … um die Truppe zum fanatischen Widerstand in ihren Stellungen zu zwingen”.

Auch die 7. ID musste Weihnachten notdürftig auf offenem Feld kampieren. Die versprochenen Sonderrationen an Printen und Wein kamen nicht durch, stattdessen wurden Rezepte ausgegeben, wie man aus gefrorenen Kartoffeln ein schmackhaftes Mahl zubereiten könnte. Erst Anfang Januar 1942 durfte die Division, deren Regimenter nur noch aus je einem einsatzfähigen Bataillon bestanden, “Rückwärtsbewegungen” durchführen.

Auf einem Land, durch das sie im Oktober schon einmal gezogen waren, hielten ihre Soldaten den nachdrängenden Russen schließlich stand. Ihr neuer Kommandeur Generalmajor Hans Jordan aber musste melden: “Die Angriffskraft ist erloschen!” So endete für die 7. Infanterie-Division der Siegeszug nach Moskau.

Seit den Debatten um Danie l Jonah Goldhagens Buch “Hitlers willige Vollstrecker” (1996) und die beiden Wehrmachtsausstellungen (1995, 2001) geht es um die Frage des Wie: Wie wurden deutsche Soldaten zu Tätern im Vernichtungskrieg? Goldhagen und andere Autoren sahen eine ideologische Indoktrination oder gar psychische Disposition am Werk, die durch Hitler und die Wehrmachtsführung nur in die von ihnen gewünschte Richtung hätte gedrängt werden müssen.

Das mag für die Männer der rückwärtigen Polizeieinheiten oder Sicherungsverbände gelten oder für die französischen “Legionäre”. Für einen Eliteverband wie die 7. Infanterie-Division passt diese simple Erklärung nicht. Bei ihr scheint eher eine Mischung aus traditionellen militärischen Werten, Kameradschaft, Tapferkeit und Patriotismus – so der Historiker Christian Hartmann in seiner großen Studie “Wehrmacht im Ostkrieg” (2010) - das entscheidende Amalgam gewesen zu sein, das aus ihren Mitgliedern eine enorm schlagkräftige, hochprofessionelle, aber auch enorm leidensfähige Truppe formte. Wie auch die soeben veröffentlichten Protokolle von Gesprächen deutscher Gefangener in englischen und US-Lagern zeigen, haben Gruppenkonformismus und angenommene Erwartungshaltungen offenbar eine deutlich wichtigere Rolle für das Handeln der Soldaten gespielt als die braune Ideologie.

Die ganze Ambivalenz zwischen Wertekanon und tatsächlichem Verhalten offenbart sich in der Person des Divisionskommandeurs Eccard von Gablenz. Der gleiche Mann, der seinen Soldaten vorwarf, den Ernst und Sinn des Krieges nicht verstanden zu haben, trat, nachdem er im Dezember 1941 ein Korps vor Moskau übernommen hatte, aus Protest gegen Hitlers Durchhaltebefehl von seinem Kommando zurück und riskierte damit ein Kriegsgerichtsverfahren.

Gleichzeitig fasste sein Divisionsgericht zusammen: “Die Vollstreckung aller während des Einsatzes ausgesprochenen Strafen wurde ausgesetzt, um den Verurteilten Gelegenheiten zur Frontbewährung zu geben.” Ein Todesurteil wegen Selbstverstümmelung wurde von Gablenz ausdrücklich kassiert. Und für seinen Befehl, der sich deutlich an die berüchtigte Reichenau-Order vom 10. Oktober 1941 anlehnte, ließ er sich 50 Tage Zeit. Bemerkenswert ist eine Formulierung, mit der sich Gablenz von den Worten des Hitler-Bewunderers Reichenau abhebt: Ein solcher Krieg sei seinen Soldaten (und ihm selbst?) “wesensfremd”. Dennoch: Die Motive, die Gablenz trieben, verschwinden in den Grauwerten der Quellen.

Auch Soldaten der 7. ID hatten Anteil am massenhaften Sterben von Kriegsgefangenen, an Beutezügen zum Schaden der Zivilbevölkerung, an der Strategie der “Verbrannten Erde” und wohl auch am Holocaust. Man hatte sie dazu in einer monströsen Versuchsanordnung gebracht. Spätestens mit seiner Kriegserklärung an die USA und dem ebenso wahnwitzigen Durchhaltebefehl vor Moskau hat Hitler dafür gesorgt, dass sein Wort wahr werden würde: “Deutschland wird entweder Weltmacht oder überhaupt nicht sein.”

Wie das neue Buch des Potsdamer Historikers Rolf-Dieter Müller (”Der Feind steht im Osten. Hitlers geheime Pläne für einen Krieg gegen die Sowjetunion im Jahr 1939″. Ch. Links Verlag, Berlin. 294 S., 29,90 Euro) zeigt, folgte Hitler dabei taktischem Kalkül. Der Wille, den Krieg im Osten unter allen Umständen vom Zaum zu brechen, trieb ihn spätestens seit 1938. Nur die Frage nach dem richtigen Zeitpunkt war offen.

Mit dem gleichen “methodischen Opportunismus’”, den der Historiker Marc Bloch in Hitler erkannt hatte, korrumpierte der Diktator die Traditionen seiner Soldaten wie Disziplin, Motivation und Opferbereitschaft, um seinen Krieg zu führen. Methodisch prägte er sie in seinem Sinne um, indem er sie existenziellen Herausforderungen aussetzte.

Das Übrige besorgte der Tod. Von den 3,3 Millionen Soldaten, die am 22. Juni 1941 in die Sowjetunion marschierten, fielen in den sechs Monaten rund ein Drittel durch Tod oder Verwundung aus. Ein Drittel entspricht auch ungefähr den Verlusten, die die 7. ID zu beklagen hatte.

Mai 1945

Jahre später wurde der 7. ID noch einmal die Ehre zuteil, im Kriegstagebuch der Wehrmacht genannt zu werden: “In Ostpreußen haben deutsche Divisionen noch gestern die Weichsel-Mündung und den Westteil der Frischen Nehrung tapfer verteidigt, wobei sich die 7. Division besonders auszeichnete.” Der Eintrag trägt das Datum vom 9. Mai 1945. Der Ort, an dem die 7. ID anschließend kapitulierte, hieß Stutthof bei Danzig .

Von Berthold Seewald, in: welt  de  veröffentlicht am 22.06.2011


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2 Reaktionen zu “Todesmarsch von Hitlers 7. Infanterie-Division”


  1. Erich Kosiceek

    Sie sollten sich hier auf Fakten beschränken und keine politischen Kommentare abgeben!

  2. Horst Burk

    Sehr geehrte Damen u. Herren,

    oben stehenden Text kann ich nicht unkommentiert lassen.

    Ins besondere der Absatz in dem der Historiker ” Goldhagen u. anderen Historikern ” zitiert werden.
    Seit einigen Jahren beschäftig ich mich im Rahmen meiner Familienforschung auch mit der Militärzeit meines Vaters.
    ( 1. Okt. 1936 - 8.Jan. 1946 , einschl. Gefangenschaft
    Kurzer Überblick, mein Vater war von Beginn an beim Frankreich - Feldzug als auch beim Einmarsch in Rußland,
    hier , ( Krim , Krasnodar , Kubanbrückenkopf, Bessarabien) . Er war Angehöriger der 9 ID. ; 6. + 17. Armee.
    Ich verbitte mir die pauschale Unterstellung die in dem von mir erwähnten Abschnitt gemacht werden. Im Alter von 23 Jahren hat man alles andere im Kopf als die ” Vernichtung der Juden u. Kommunisten ” . Ich erwarte von ihrem Verein ein etwas verantwortungsvolleren und sachlicheren Umgang diesbezüglich !!
    Seit einigen Jahren besuche ich ihre Internetseite und beteilige mich bei der Aufklärung von Soldatenschicksalen.
    Bitte versuchen sie nicht mich in eine wie auch “geartete
    Ecke ” zu stellen. Wir sollten sehr vorsichtig mit dem moralischen Fingerzeig sein. Der Zeitabschnitt liegt 75 bzw. 87 Jahre zurück, politisch eine völlig andere Epoche, die wesentlich noch vom 1. WK und den politischen Wirren der 20 ziger Jahren geprägt waren. Bezüglich des Überfalls auf Rußland verweise ich auf das Buch ” Der Tag M ” von Viktor Suvorow. Etwas mehr Tiefgang im Thema seitens des Autors wäre hätte nicht geschadet.
    Bitte entschuldigen die die etwas sehr persl. Angaben und die Länge meines Kommentars. M.f.G. H. Burk


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