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Winter 1945 -Trinkgelage in Todesangst

Als die Rote Armee im Winter 1945 das niederschlesische Brieg erreichte, waren der 21-jährige Kurt Mönch und seine schlecht ausgerüstete Kampfgruppe umzingelt. Während sich seine Kameraden vor Angst betranken, wuchs sein Überlebenswille. Er wagte einen Fluchtversuch.

Den ersehnten Erholungsurlaub musste ich mir aus dem Kopf schlagen, als ich Anfang 1945 aus einem Lazarett in Oberschlesien entlassen wurde. Als junger Obergefreiter der Wehrmacht war ich im Sommer nahe der Grenze zu Ostpreußen durch eine russische Granate verwundet worden. Inzwischen galt eine Urlaubssperre, weil die Rote Armee immer näher rückte.

Am 8. Januar wurde ich deshalb nicht wieder zu meiner Einheit, sondern zu einem Ersatztruppenteil in der niederschlesischen Stadt Hirschberg, dem heutigen Jelenia Góra, geschickt. Als die Russen vier Tage später im großen Weichselbogen angriffen, brach die Ostfront nach kurzer Zeit zusammen. In Hirschberg wurde in aller Eile eine Kampfgruppe zusammengestellt, ein bunter Haufen aus Soldaten aller Waffengattungen, die nur mit Handfeuerwaffen ausgerüstet waren. Ich kam zum Fernsprechtrupp.
In der Morgendämmerung des 20. Januar trafen wir in Brieg (Brzeg) ein. Die Stadt wurde gerade evakuiert. Ein gespenstisch anmutender Zug von Frauen, Kindern und alten Männern bewegte sich bei einer Temperatur von minus 22 Grad mit Rucksäcken, Koffern, Schlitten, Kinderwagen und Handwagen stadtauswärts in Richtung Strehlen (Strzelin). Die Reichsbahn hatte bereits den Betrieb eingestellt.
Unsere Kampfgruppe sollte das Oderufer von der Zuckerfabrik bis zum Vorwerk Briesen verteidigen. Zunächst verlegten wir Fernsprechleitungen zu den drei Kompanien, der Stadtkommandant Oberst Knitter war über das Ortsnetz zu erreichen. Als einziger ausgebildeter Fernsprecher musste ich das meiste allein erledigen.

Chaos nach Granatenbeschuss

Wir dachten zunächst, die Lage würde erst richtig ernst, wenn deutsche Soldaten vor den heranrückenden Russen zurückweichen müssten. Doch dann überstürzten sich die Ereignisse.
Am 21. Januar schlugen nachmittags Granaten russischer Salvengeschütze ein. Die gegenüber liegende Rathauswand wurde getroffen und alle Fensterscheiben zerbarsten. Zwei Häuser weiter lag eine Schnapsfabrik in Trümmern, aus dem Hotel daneben loderten die Flammen. Ab dem Moment gab es weder Strom noch Leitungswasser.

Brieg lag jetzt also an der Front. Der Kampfgruppengefechtsstand und die Vermittlung wurden sofort in den Gewölbekeller einer Apotheke verlegt. Zerstörte Fernsprechleitungen mussten wir zum Teil neu verlegen, weil sie streckenweise von herabgefallenen Dachziegeln bedeckt waren. Der im Vorwerk Briesen stationierten Kompanie gelang es am nächsten Morgen nicht, die bei Linden (Sosnicowice) über die Oder gelangten Russen zu vertreiben.

Wenige Tage später war die zur Festung erklärte Stadt Brieg völlig eingekreist. Auf Befehl Adolf Hitlers musste in einer solchen Festung bis zum letzten Mann gekämpft werden. Seit Stalingrad fürchteten auch wir, dieses Schicksal an der Ostfront zu erleiden.

Die nächsten Tage verliefen verhältnismäßig ruhig. Ab und zu schlug eine Artilleriegranate ein. Flugzeuge schossen im Tiefflug auf alles, was sich bewegte. Panzer fuhren auf das Vorwerk zu, blieben aber etwa 200 Meter davor stehen, feuerten einige Schüsse ab und zogen sich am Abend wieder zurück. In ganz Brieg gab es keine Panzerabwehr außer Panzerfäusten, die nur 25 Meter weit reichten. Für Panzer konnten sie nur im Häuserkampf gefährlich werden.

“Nach uns die Sintflut”

Die Stimmung unter den Soldaten näherte sich dem Nullpunkt. Die meisten versuchten, die Furcht vor dem sich abzeichnenden Ende mit den reichlich vorhandenen alkoholischen Getränken zu betäuben. Aus den Kellern der Schnapsfabrik und des Hotels versorgten wir uns mit erlesenen Weinen, Sekt und Kräuterlikör der Marke ‘Mollwitzer Reiter’. Beim Trinken hörte man Sprüche wie “Nobel geht die Welt zugrunde”. Dazu spielte ein Melder auf einem Koffergrammophon immer wieder die gleichen Schallplatten ab: “Es war einmal ein Musikus… “ und “O Donna Klara…”. War ein Glas ausgetrunken, wurde es mit Worten wie “Nach uns die Sintflut” in die Kellerecke geworfen.

So gut es ging, hielt ich mich zurück. Oft musste eine durch Beschuss gestörte Leitung geflickt werden, und auch beim Vermittlungsdienst brauchte ich einen klaren Kopf. Durch das Abhören aller Dienstgespräche und die Kontakte mit den Kameraden in der Vermittlung des Stadtkommandanten war ich immer gut informiert. Mein Überlebenswille war stärker als die allgemeine Untergangsstimmung.

Ich war 21 Jahre alt und seit 1942 im Krieg.

Unsere nächtlichen Gespräche drehten sich hauptsächlich um die Frage: “Wie kommen wir hier heraus, und werden uns die Russen gefangen nehmen, statt uns zu töten?” Der Truppführer, ein Unteroffizier, hoffte, dass wir überleben würden. Er schilderte die Erlebnisse eines Kameraden, der im Sommer 1944 bei Minsk in russische Gefangenschaft geraten war, danach fliehen konnte und schließlich wieder zu einer deutschen Einheit gelangte.

Kapitulation trotz Führerbefehls

Am 5. Februar erhielt die Besatzung der Stadt den Befehl zum Ausbruch nach Süden. Angeblich sollte uns von dort eine deutsche Panzerdivision entgegenkommen. Etwa um 22 Uhr sollte es losgehen. An der Spitze stand der einzige Panzer der Garnison, ein altes Modell. Hinter ihm befanden sich mehrere LKW und beiderseits auf den Gehwegen Soldaten. Ich stand etwa 30 Meter hinter dem Panzer, über den hinweg russische Panzergranaten flogen, die hinter uns einschlugen. Nach drei bis vier Schüssen wurde der Panzer getroffen und fing sofort an zu brennen. Hier kamen wir also nicht mehr weiter, es entstand Chaos.

Mit anderen Soldaten versuchte ich, aus dem Kessel zu entkommen. Wir gerieten aber am nächsten Morgen bei Mollwitz (Maujowice) in russische Gefangenschaft und kamen in ein Lager in Neu Limburg. Einige Tage später wurden dort fast 3000 Soldaten der Brieger Besatzung eingeliefert. Von ihnen erfuhr ich, dass die Stadt am 6. Februar nach vorangegangenen Verhandlungen entgegen dem Führerbefehl kapituliert hatte. Die Offiziere um den Kampfkommandanten bewiesen in der aussichtslosen Lage Mut zur Verantwortung und bewahrten so Tausende Soldaten vor dem sicheren Tod.
Quelle: Von Kurt Mönch – spiegel de - einestages


Der Beitrag wurde am Sonntag, den 18. Januar 2015 um 20:13 Uhr unter der Kategorie Vorstand veröffentlicht. Sie können die Kommentare zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0 Feed verfolgen und selbst einen Kommentar schreiben.

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